Er kann einen der spannensten und faszinierendsten Lebensläufe vorweisen, die man sich vorstellen kann: der Würzburger Philipp Franz von Siebold.

Geboren wurde Philipp Franz als Sohn einer reichen und angesehenen Familie am 17. Februar 1796 in Würzburg. Er wuchs dort auch auf und studierte an der Würzburger Universität Medizin, sein Vater als auch sein Großvater hatten dort schon einen Lehrstuhl inne. Das Fernweh muss den jungen Franz Philipp schon sehr früh erfasst haben, inspiriert durch die Reiseberichte eines Alexander von Humboldt und eines Kapitäns James Cook.

Die Asienreise

Im Alter von 28 Jahren ist es dann soweit, mit einer exzellenten Ausbildung als Mediziner tritt Philipp Franz von Siebold seinen Dienst als Arzt in den holländischen Kolonien Ostasiens an. Er nutzt sofort jede Gelegenheit, seinen Beruf mit seinem botanischen Interesse zu verbinden. So lernt er schon nach kurzer Zeit den Leiter des Botanischen Gartens von Java, Dr. Karl Ludwig Blume kennen . Blume wird später in Deutschland selbst einigen Ruhm erlangen, er liefert viele asiatische Pflanzen in seine Heimat. Einer seiner treuesten Kunden ist dabei kein geringerer als Johann Wolfgang Goethe. Von Siebold fällt seinen dortigen Dienstherren nicht nur sofort durch seine Fähigkeiten als Mediziner auf, sondern begeistert auch durch seinen Umgangsformen und seine Wissbegier allem Neuen gegenüber. Noch im gleichen Jahr wird von Siebold von Generalgouverneur Baron van der Capellen beauftragt, dass nach außen abgeschottete Japan zu erkunden.

Japan gewährt seit 1639 Ausländern nur noch einen sehr stark reglementierten Zutritt in sein Land. Vor dem Hafen von Nagasaki dient die kleine Insel Dejima den Ausländern, vornehmlich holländischen Händlern, als Stützpunkt. Vor ihm lebten schon die deutschen Naturforscher Engelbert Kaempfer und Carl Peter Thunberg im Rahmen von Forschungsreisen für längere Zeit dort . Auch von Siebold wird die nächsten Jahre hier wohnen. Aber schafft es wieder sehr schnell, mit seiner angenehmen, zurückhaltenden aber interessierten Art einen sehr guten Ruf bei den Japanern zu erlangen. Ein Grund dafür ist sicherlich auch seine Sprachbegabung. Innerhalb kurzer Zeit lernt und spricht er japanisch. Er darf sehr schnell ohne Sondergenehmigung seine Insel verlassen. Durch seine Tätigkeit als Arzt lernt er eine junge Einheimische aus einflussreicher Familie kennen, die aus Liebe zu ihm zur Kurtisane wird um bei von Siebold auf der Ausländerinsel leben zu können. Auch seinen botanischen Aktivitäten geht er in dieser Zeit nach, er legt einen Garten an, in dem alle Pflanzen, die er von japanischen Gelehrten erhält, zieht. Ein Jahr nach seiner Ankunft in Japan berichtet er einem Bonner Botanikprofessor, dass sein Garten bereits um die 1.000 Pflanzenarten füllen.

Ein großer Traum von Siebolds bleibt aber eine ausgedehnte Expedition durch das Inselreich. Sein Traum wird war, als er sich einer Reisegesellschaft anschliessen darf, die den Shogun von Edo, dem heutigen Tokio, aufsucht. Die ca. 1.200 km lange Reise zu Pferd und per Sänfte beeindruckt von Siebold zutiefst. Er lernt ein Land kennen, das ausgeprochen fortschrittlich und gut organisiert ist. Besonders die japanischen Gartenanlagen begeistern ihn. In Edo selbst absolvieren von Siebold und seine Reisegefährten ein aufwendiges diplomatisches Programm, das ihnen Audienzen beim Shogun als auch bei anderen hohen Würdenträgern abverlangt. Nach einer gesamten Reisezeit von fünf Monaten kehren sie schließlich nach Nagasaki zurück. Von Siebolds japanische Lebensgefährtin hat ihm in dieser Zeit eine Tochter zur Welt gebracht. Diese Tochter wird in Japan später selbst einmal eine Karriere als Ärztin und Wissenschaftlerin machen. Die Zeit nach dieser Reise widmet sich von Siebold der Sichtung und der Auswertung seiner Reisedokumentation. Er arbeitet bereits an einem umfassenden Werk über die Flora Japans, der Flora Japonica.

Aber soviel Neugier und Forschergeist erregt in dem Ausländern gegenüber sehr kritischen Japan schnell auch Aufmersamkeit anderer Art: durch Intrigen wird ihm vorgeworfen, als Spion tätig zu sein. Er wird angeklagt und darf das Land nicht mehr verlassen. Sein Haus wird durchsucht, er selbst durch Ordnungskräfte observiert. Ab diesem Zeitpunkt legt sich ein Schatten über seine Japanbegeisterung. Vielen seiner japanischen Freunde ergeht es schlecht, sie werden der Kollaboration mit einem ausländischen Spion angeklagt und verhaftet. Von Siebold kann es aber erreichen, das sie alle wieder frei kommen. Sein Urteil ist für ihn nicht weniger dramatisch, er wird für immer aus Japan verbannt und muss die Insel mit dem nächsten Schiff verlassen. Das bedeutet auch die Trennung von seiner japanischen Familie. Er verlässt Nagasaki 1829 mit dem Schiff Java und kehrt nach 7 Jahren über einen kurzen Zwischenhalt in Batavia nach Europa zurück.

Wieder zurück in Europa

In Europa wird von Siebold als erfolgreicher Arzt und Wissenschaftler empfangen. Er wird vom holländischen König Wilhelm I. für die Auswertung seiner Sammlung bei vollem Gehalt freigestellt. Trotzdem wird er zum Oberstabsarzt des Niederländisch-Indischen Heeres ernannt und erhält das Ritterkreuz vom Orden der Niederländischen Löwen. Seine Heimatstadt Würzburg ehrt ihn mit der Verleihung der Doktorwürde in Philosophie.

In Leiden, wo er sich niederlässt, trifft er einen alten Bekannten aus Java wieder: Dr. Karl Ludwig Blume. Dieser verwaltet nun das Reichsherbarium von Holland und unterstützt von Siebold bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der umfangreichen Sammlung. Ein weiterer Helfer ist der Botanikprofessor Gerhard Zuccarini aus München. Viele der heutigen aus Asien stammenden Gartenpflanzen tragen den Namenszusatz (Sieb. & Zuc.), das darauf hinweißt, das diese Arten zuerst von Zuccarini und von Siebold bestimmt und beschrieben wurden.

Ein weiteres Ziel von von Siebold ist die Herausgabe des von ihm geplanten Gesamtwerkes über Japan: Nippon, Archiv zur Beschreibung von Japan, die Flora Japonica und die Fauna Japonica. Zur Umsetzung dieses teueren Plans bereist er zahlreiche Höfe Europas um diese für die Finanzierung zu gewinnen. Im Zuge dieser Reisen begegnet er in Berlin auch seinem früheren Vorbild Alexander von Humboldt. Die beiden Männer, die viele Gemeinsamkeiten haben, freunden sich dauerhaft an. In Leiden legt er einen Garten an, in dem er viele von ihm mitgebrachte Pflanzen kultiviert und an das Klima in Europa anpasst. Er verfolgt die Idee, möglichst viele dieser Pflanzen in europäischen Gärten anzusiedeln. Dazu gehören u.a. Clematis, Baumpäonien, Deutzien, Funkien, Ahorne und die für Japan so typischen Koniferen. Er geht sogar soweit, das er ein eigenes Gartenbauunternehmen gründet, über das er den Versand der Gartenpflanzen nach ganz Europa organisiert. Privat lernt er als 50-Jähriger die nur halb so alte Helene Ida Caroline Freiin von Gagern kennen. Sie heiraten und bekommen noch fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter.

Und noch einmal nach Japan

Seine gesamte Zeit in Europa bleibt von Siebold ein rastloser Mann, der immer davon träumt, nach Japan zurückzukehren. Die Chance rückt näher, als Japan sich 1853 wieder dem Welthandel öffnet und 1855 den Bann gegenüber von Siebold aufhebt. Es dauert aber noch weitere drei Jahre, bis er als 63-jähriger Mann gemeinsam mit seinem 12-jährigen Sohn Alexander die Reise nach Japan antreten kann. Sein inzwischen 90-jähriger Freund von Humbold wünscht ihm für die Reise alles Gute. In Nagasaki trifft er seine japanische Frau wieder, die ihn nach diesem einen Treffen aber nicht mehr sehen möchte. Seine inzwischen 33-jährige Tochter Ine begleitet ihn aber auf seiner Reise durch Japan. Sie ist inzwischen eine angesehene Ärztin und Hebamme. Von Siebold selbst etabliert sich wieder in kürzester Zeit in der japanischen Gesellschaft und erhält einen Lehrauftrag in Edo. Auch sein Sohn erlernt die japanische Sprache sehr schnell und beginnt sich für das Land zu begeistern. Als die Holländer einen schlechten Einfluss auf ihre Handelsbeziehungen mit Japan durch von Siebold befürchten, setzen sie durch, das von Siebold seinen Lehrauftrag verliert. Enttäuscht kehrt er daraufhin 1867 nach Europa zurück. Sein Sohn allerdings wird als 15-jähriger wegen seiner hervorragenden Landes- und Sprachkenntnisse von einer englischen Delegation als Dolmetscher eingestellt und bleibt in Japan.

Zurück in Europa bricht von Siebold nach den erfahrenen Kränkungen ganz mit den Holländern und lebt in Deutschland. Im Rahmen von Vorbereitungen für eine Japanausstellung in München erkrankt er so schwer, das er kurz darauf am 18. Oktober 1866 im Alter von 70 Jahren stirbt. Von Sieblod lebt aber noch heute in vielen aus Asien stammenden Gartenpflanzen wie Lilien, Hortensien oder Ahornen weiter.

 
 

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